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GVSG: Erleichterungen in der hausärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung

Mai 2024: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat im Januar 2024 erstmals auf die Forderungen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft angesichts der Protestaktionen in den vergangenen beiden Jahren reagiert. Ergebnis ist ein Maßnahmenpaket, das in zwei Gesundheits-Versorgungsstärkungsgesetzen (GVSG I und II) münden soll. Am 22. Mai 2024 hat das Bundeskabinett den Entwurf des GVSG beschlossen. Ziel ist es, parallel zur Krankenhausreform auch die ambulante Versorgung zu verbessern. Das sind die für die ambulante Versorgung wichtigsten geplanten Punkte.

GVSG I | Kabinettsfassung vom 22. Mai 2024

Entbudgetierung in der hausärztlichen Versorgung

Ähnlich wie bei den Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten sollen alle Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung (EBM-Kapitel 3.2) einschließlich der Hausbesuche entbudgetiert werden. Dazu ist vorgesehen, die Leistungen in eine Hausarzt-Morbiditätsorientierte Gesamtvergütung (MGV) zu überführen. Ausgleichszahlungen durch die Krankenkassen sind möglich, falls die Hausarzt-MGV nicht ausreicht. Ziel ist es, alle in der Hausarztpraxis erbrachten Leistungen zu vergüten und Bürokratie durch den Wegfall der Budgetbereinigung abzubauen. Eine Entbudgetierung auch für die fachärztlichen Berufsgruppen hatte Lauterbach wiederholt abgelehnt.

Jahresbezogene hausärztliche Versorgungspauschale

Diese Pauschale wird für die Behandlung von erwachsenen Versicherten mit chronischer Erkrankung und kontinuierlichem Arzneimittelbedarf eingeführt. Die Versorgungspauschale ist je Versichertem jährlich einmal beim ersten Arzt-Patienten-Kontakt abrechenbar – unabhängig von der Anzahl weiterer Kontakte. Mit dieser Maßnahme strebt das Bundesministerium für Gesundheit an, “vermeidbare Praxisbesuche in den Hausarztpraxen” deutlich zu senken und somit mehr Zeit für die medizinische Behandlung zu schaffen. “Die neuen Versorgungspauschalen ersetzen die Quartalslogik”, so das BMG. Ausgenommen von den Regelungen zur Vorhaltepauschale sind die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte.

Hausärztliche Vorhaltepauschale

Das Bundesministerium für Gesundheit will "für echte Versorgerpraxen, die maßgeblich die hausärztliche Versorgung aufrechthalten", eine gesetzliche Vorhaltepauschale einführen. Diese soll abrechenbar sein, wenn bestimmte Kriterien, beispielsweise bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten, viele Haus- und Heimbesuche oder eine Mindestanzahl an Versicherten in Behandlung, erfüllt sind. Im Fokus der Förderung stehen Praxen, die den größten Teil der Versorgung leisten und Hausbesuche durchführen.

Mehr Behandlungsangebote in der psychotherapeutischen Versorgung

Die ambulante psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung soll mit dem GVSG verbessert und die Erbringung psychotherapeutischer Leistungen vereinfacht werden. Für vulnerable Patientengruppen werden zusätzliche psychotherapeutische und psychiatrische Versorgungsaufträge geschaffen, um ihnen den Zugang zur Versorgung zu erleichtern. Es wird außerdem eine separate Bedarfsplanung für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten etabliert, die Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln.

Darüber hinaus erhalten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte eine Ermächtigung zur ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung von vulnerablen Patientengruppen. Für Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schwerer Mehrfachbehinderung wird eine korrespondierende Regelung ergänzt.

Zusätzlich sind Vereinfachungen und Flexibilisierungen beim Antrag auf Kurzzeittherapie und beim Konsiliarbericht vorgesehen. Die Vergütung der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung in den Weiterbildungsambulanzen soll in Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen erfolgen. Künftig haben Weiterbildungsambulanzen die Möglichkeit, ihre Vergütung mit den Krankenkassen selbst zu verhandeln.

Bagatellgrenze bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen

In den Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen wird es eine wichtige Ergänzung geben: Künftig gilt eine sogenannte Geringfügigkeitsgrenze in Höhe von 300 Euro, bis zu der keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchgeführt werden müssen. Damit soll laut BMG ein "Beitrag zur Entbürokratisierung" geleistet werden. Bestehende Prüfvereinbarungen werden somit vereinheitlicht. Langfristig würden damit unnötige Wirtschaftlichkeitsprüfungen wegfallen – eine langjährige Forderung der Ärzteschaft. Wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt hat, soll der Wegfall 80 Prozent der Arzneiregressprüfungen betreffen.

GVSG II | noch in Vorbereitung

Wirtschaftlichkeitsprüfung: kürzere Ausschlussfrist

Es soll eine Ausschlussfrist von zwei Jahren für die Festsetzung von Beratungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gelten. Aktuell beträgt die Ausschlussfrist bei ‘unwirtschaftlichen Verordnungen’ vier Jahre. Damit erhofft sich das Bundesministerium für Gesundheit, dass Arztpraxen mehr Planungssicherheit haben und unnötiger bürokratischer Mehraufwand vermieden wird.

Digitale Teilnahme am Beschwerdeausschuss

Die Teilnahme an Sitzungen der Beschwerdeausschüsse, beispielsweise bei mündlichen Anhörungen, soll für die Beteiligten digital möglich sein, um unnötige Wege zu vermeiden. Das Bundesministerium für Gesundheit will hierzu die Wirtschaftlichkeitsprüfungs-Verordnung ändern. 

Vereinfachter Antrag von Kurzzeittherapie

Das zweistufige Antragsverfahren in der Kurzzeittherapie soll entfallen. Für die insgesamt 24 Therapieeinheiten sollen die Patientinnen und Patienten zukünftig nur noch einen Antrag stellen müssen. Ziel ist es, psychisch Erkrankten einen schnelleren Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung zu ermöglichen und das Antragsverfahren zu entbürokratisieren.

Vereinfachte Einholung des Konsiliarberichts

Vorgaben zur Einholung eines Konsiliarberichts bei ärztlich überwiesenen Patientinnen und Patienten in der Psychotherapie sollen vereinfacht werden. Der Konsiliarbericht dient dazu, eine organische Erkrankung als mögliche Ursache für vorliegende Beschwerden abzuklären. Mit dem Konsiliarbericht bestätigt eine Ärztin bzw. ein Arzt, dass keine Kontraindikationen gegen die Aufnahme einer Psychotherapie bestehen. Mit dem vereinfachten Verfahren sollen die Wartezeiten vor Beginn einer Psychotherapie verkürzt werden..

Abschaffung der Präqualifizierungspflicht bei Hilfsmitteln

Für Vertragsärztinnen und -ärzte, die Hilfsmittel an Versicherte abgeben, soll die Präqualifizierungspflicht abgeschafft werden. Die Präqualifizierung ist die vorgelagerte, vertragsunabhängige Prüfung der Eignung der Leistungserbringenden in der Hilfsmittelversorgung nach festgelegten Kriterien. Durch vereinfachte unbürokratische Abgaberegelungen verspricht sich das Bundesministerium für Gesundheit eine Verbesserung der Hilfsmittelversorgung.

KV RLP-Vorstandsmitglied Peter Andreas Staub zum aktuellen GVSG-Entwurf

"Richtige Richtung, aber zu kurz gegriffen."

Peter Andreas Staub

Peter Andreas Staub, Psychotherapeut und Vorstandsmitglied der KV RLP

"Die geplanten Regelungen zur Weiterbildung in der Psychotherapie gehen in die richtige Richtung, greifen aber zu kurz. Ich begrüße, dass die Grundlagen für eine Anstellung von Weiterbildungsassistenten in Weiterbildungsinstituten nun geschaffen wurden – sowie die Möglichkeit, dass Weiterbildungsambulanzen direkt mit den Krankenkassen verhandeln können. Das sind wichtige Voraussetzungen zur Umsetzung der Weiterbildung. Leider ist aber keine Regelung zur Behebung der finanziellen Deckungslücke vorgesehen. Auch die notwendige Regelung zur Ermöglichung der Weiterbildung in den Praxen niedergelassener Psychotherapeut*innen fehlt völlig. Eine finanzielle Absicherung der stationären Weiterbildung ist ebenfalls nicht angedacht.

Gute Ansätze zur besseren Versorgung

Die Beantragung von Kurzzeittherapie wird durch den Wegfall der Zweiteilung vereinfacht und weniger bürokratisch. Wir schlagen vor, den Verzicht auf einen Konsiliarbericht bei ärztlicher Überweisung auszuweiten: Auch bei der Anschlussbehandlung nach einem Klinikaufenthalt sollte der Entlassbericht den Konsiliarbericht ersetzen. Ebenso sollte den Psychotherapeut*innen endlich die regelhafte Überweisungsbefugnis zur Verfügung stehen.

Sehr interessant ist der völlig neue Vorschlag einer Ermächtigung von Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen zur Behandlung von Patient*innen mit schweren psychisch/psychiatrischen Störungen. Die Vorschrift, mit einer speziellen Einrichtung, etwa der Suchthilfe oder dem sozialpsychiatrischen Dienst, zu kooperieren, erscheint gut umsetzbar. Wir sehen darin eine gute Möglichkeit, die angesprochenen Patient*innen besser zu versorgen. Auch sieht es der KV RLP-Vorstand positiv, dass eine eigene Bedarfsplanungsgruppe für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Gesetz vorgesehen ist. Hier wird es dann auf die angemessene Umsetzung dieser Vorgabe ankommen."

Drei Stimmen aus den ärztlichen und psychotherapeutischen Verbänden

Von den ärztlichen und psychotherapeutischen Verbänden kommt immer noch überwiegend Kritik an den geplanten Maßnahmen des Bundesmnisteriums für Gesundheit. Diese werden insgesamt als nicht ausreichend angesehen, um die Rahmenbedingungen für eine Niederlassung im ambulanten Gesundheitssystem langfristig zu verbessern. Wie es nach den Protestaktionen weitergehen muss, dazu äußern sich die Vertretende der nachfolgenden Verbände.

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30. Juni 2024