Gestern startete der 128. Deutsche Ärztetag in Mainz. In seiner Rede bei der Eröffnungsveranstaltung sprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von "einer Zeitenwende im Gesundheitssystem". Die beteiligten Akteurinnen und Akteure könnten es sich nicht leisten, nicht miteinander zu sprechen. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP), Dr. Peter Heinz, steht den von Lauterbach gemachten Versprechungen skeptisch gegenüber.
"Im Grunde könnten wir mit dem, was Herr Lauterbach hier gesagt hat, wunschlos glücklich sein. Er hat alle Themen angesprochen, die wir uns erhoffen", sagte Dr. Heinz. "Wir haben jedoch in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass nur wenig wirklich umgesetzt wird."
Lauterbach war unter anderem auf die elektronische Patientenakte eingegangen. Sie müsse zu einem Standard werden und aus der Routinedokumentation ohne einen Mehraufwand befüllt werden können. Er stehe dazu in einem engen Dialog mit Herstellerfirmen von Praxisverwaltungssystemen. Auch den Nachwuchs sprach der Bundesgesundheitsminister an. So brauche es eine bessere Approbationsordnung und mehr Studienplätze. "Das wird Geld kosten, aber hier müssen wir investieren. Nur so werden wir unser Gesundheitssystem fit machen für die zahlreichen Herausforderungen", so Lauterbach.
Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz nannte er einen ersten wichtigen Schritt in die Entbudgetierung und sagte zu, dies für weitere Facharztgruppen zu prüfen. Vieles, was er nun angehe, sei in den vergangenen Jahren liegen geblieben. In diesem Zusammenhang nannte der Minister die seit Jahren von der Ärzteschaft geforderte Reform der Gebührenordnung. Das Thema sei bei ihm angekommen und er werde es wohlwollend prüfen.
Systemwechsel befürchtet
Dr. Heinz ist sich sicher: "Was heute hier alles versprochen wurde, ist gar nicht zu halten." Er befürchtet, dass Lauterbach die Ärzteschaft so lange ruhig halten möchte, bis die entsprechenden Weichen gestellt seien. Daher sei es wichtig, genau zu beobachten, was in den nächsten Wochen und Monaten geschehe. Denn bis zur Sommerpause will das Bundesministerium für Gesundheit noch 15 Gesetze ins Kabinett bringen.
Dr. Heinz' Befürchtung teilt auch der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Deren Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen hatte gestern während der KBV-Vertreterversammlung gesagt: "Es ist offenkundig, dass Teile der Politik, und zwar konkret die aktuelle Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit, einen kompletten Systemwechsel wollen. Karl Lauterbach sagt ja auch unverblümt, dass er das ganze Gesundheitssystem umkrempeln will." Ob damit die von ihm in Mainz angesprochene "Zeitenwende" gemeint ist?
Gesundheitsgipfel im Bundeskanzleramt gefordert
Die KBV und die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen werden indes nicht müde, auf die Herausforderungen in der ambulanten Versorgung aufmerksam zu machen. Um die wohnortnahe niedrigschwellige haus- und fachärztliche sowie psychotherapeutische Versorgung durch mehr als 100.000 Praxen in Deutschland zu retten, haben sie kürzlich die multimediale Kampagne "Wir sind für Sie nah." gestartet, die auch in Mainz präsent war. "Wir haben nicht mehr die Zeit, darauf zu warten, dass die Dinge, die versprochen wurden, endlich umgesetzt werden", machte Dr. Heinz deutlich. Es müsse jetzt gehandelt werden.
Den Vorschlag eines Gesundheitsgipfels im Bundeskanzleramt, den Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt in seiner Eröffnungsrede gefordert hatte, begrüßte der Vorstandsvorsitzende des KV RLP überaus: "Es wäre eine gute Sache, wenn man die Wichtigkeit der Thematik auf die entsprechend notwendige Ebene hebt." Auf diesen Vorschlag war Lauterbach in seiner Rede jedoch nicht eingegangen.